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12.01.24 –
Es ist schon erstaunlich, wie man ein und denselben Sachverhalt so anders rahmen kann, dass er zu einer völlig neuen Erzählung wird:
Seit zwei Jahren setzen sich Bürger*innen und Mandatsträger*innen dafür ein, die rund 70 Linden der Breite Straße zu erhalten, aus Gründen des Klimaschutzes, des Mikroklimas in der Straße, des Denkmalschutzes und weil es sinnvolle Alternativen gibt, die Sanierung auch im Bestand durchzuführen. Der ehemalige Stadtbaurat Herr Kinder hatte sich immer für eine Bestandssanierung ausgesprochen, um die Linden zu erhalten.
Ganz abgesehen davon wären einfache Erhaltungsmaßnahmen in den letzten Jahren wie eine regelmäßige Grundpflege (Kronenpflege und ein gelockerter Wurzelbereich) ausreichend gewesen, um die Bäume gesund zu halten.
Nicht nur die Grünen, der BUND und die Klimaplattform lieben Bäume. Wenn ein Großteil der Celler Bevölkerung aus allen Alters- und Gesellschaftsschichten sich für den Erhalt der Bäume stark gemacht hat (nahezu 2000 Unterschriften) dann kann ein Oberbürgermeister, der ja für alle Cellerinnen und Celler Stadtoberhaut sein sollte, das nicht mit dem Begriff der Verblendung oder Ideologie wegwischen.
Da wird Klimabewusstsein zur Klimapolemik degradiert. Das ist die Sprache, wie wir sie vom rechten Rand kennen und mit der üblicherweise ein menschengemachter Klimawandel geleugnet werden soll.
Umweltschützer*innen und grüne Mandatsträger*innen werden hier zur Projektionsfläche einer Politik, die versucht, mit Unterstellungen und Halbwahrheiten Stimmung zu machen - und die im Grunde nur Ausdruck der eigenen umweltpolitischen Versäumnisse ist.
Den Klimaschützern jetzt gar zu unterstellen, dass sie gegen eine Schwammstadt seien und damit Hochwasserschutzmaßnahmen negieren würden, ist geradezu perfide und demagogisch. Vor allem die Klimaplattform hat faktenbasiert und mit validen Zahlen und Kenntnissen in die Planungen eingegriffen - in Planungen, die aus ihrer und auch unserer Perspektive einen völlig falschen Ansatz gefolgt sind. Eine bestehende Lindenallee in Zeiten des immer schneller voranschreitenden Klimawandels zu entnehmen, ist überhaupt nicht zeitgemäß. Die Stadt räumte selbst ein, dass das Fällen der Roteichen auf der 77er Straße ein Fehler gewesen sei. Daraus gelernt hat man jedoch nichts.
Klimawandel wartet nicht, wie wir sehen. Und kleine Bäume müssen lange wachsen, bis sie die Leistung großer Bäume erbringen, von denen es in Celles Innenstadt leider nur noch sehr wenige gibt. Das Umweltministerium hat den Planungen im Übrigen nicht zugestimmt, sondern konnte sie formalrechtlich nicht mehr verhindern - das ist ein großer Unterschied.
Das Fällen von 55 Bäumen als „klimaschonende Sanierung“ zu bezeichnen (Nigge), erfordert schon viel Fantasie.
Nun könnte man das Ganze auch positiv rahmen: Immerhin 10 Bäume von 65 sollen erhalten werden, das ist der Minimalkonsens, um den denkmalgeschützten Alleecharakter anzudeuten. Immerhin 10 Bäume gerettet, aber dafür möchte sich niemand auf die Schulter klopfen.
Denn im Grunde wissen alle, dass ausgewachsene Bäume nicht gefällt werden sollten. Und im Grunde wissen auch alle, dass es den Baumschützer*innen hier nicht darum geht, etwas zu verhindern, sondern darum, die Zeichen der Zeit und die Empfehlungen von Wissenschaftler*innen, das Bundesnaturschutzgesetz und die Urteile des Bundesverfassungsgerichts ernst zu nehmen und sich für den Erhalt unserer Lebensgrundlage einzusetzen.
Johanna Thomsen und Stephan Ohl
Fraktionsvorsitzende Bündnis90/Die Grünen im Rat der Stadt Celle
Gruppensprecher*innen der Gruppe für Nachhaltigkeit und Vielfalt
Kategorie
Fraktion Stadt Celle | Stadtentwicklung